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ährend es viele
junge Menschen nach der Ausbildung
hinaus in die Welt oder
zumindest in die nächste große
Stadt zieht, geht es für Lukas
Schöbinger hinauf in die Ruhe
der heimischen Berge. Der 21-
jährige hat erst kürzlich seine
Ausbildung zum Destillateur
abgeschlossen und ist seitdem
der neue Bergbrenner der Enzianbrennerei
Grassl.
Zwischendurch
kommen Wanderer
und bitten um ein
Stamperl
Von Mai bis Oktober ist er für
die fünf Brennhütten verantwortlich.
Drei davon liegen im
Nationalpark Berchtesgaden,
zwei sind nur zu Fuß und über
beschwerliche Wege erreichbar.
Und oben wartet harte Arbeit
auf den jungen Mann: An
manchen Tagen Enzianwurzeln
graben, zur Hütte tragen, waschen
und mit einer speziellen
Hacke zerkleinern, mit Hefe
und frischem Quellwasser zur
Maische ansetzen und nach
der Gärung mit einem ersten
Brand destillieren. An anderen
Tagen Wacholder und Kräuter
zu Gin destillieren. Das Holz
für die kupfernen Brennkessel
will gehackt, Dachschindeln
repariert, die kleine Küche
Vor
325
JAHREN
erhielt die
Familie Grassl
das Brennrecht
vom
Fürstprobst
aufgeräumt werden. Im kühlen
Wasser des Brunnentrogs wartet
eine Auswahl der guten
Tropfen der Enzianbrennerei,
denn bei Sonnenschein kommen
bereits am Vormittag die ersten
Wanderer vorbei und bitten
um ein Stamperl.
Im Sommer 2018 wird Lukas
Schöbinger neben der beliebten
Brennhütte am Priesberg
wahrscheinlich auf 1.600 Metern
Höhe anzutreffen sein.
Hier am Funtensee werden die
Wurzeln für einen besonders
edlen Brand gewonnen, der
nach dem Feinbrand ins Tal
geflogen und später bis zur
Genussreife sieben Jahre in
Eschenholzfässern in einem
Stollen lagern wird.
Vor 325 Jahren erhielt die Familie
Grassl vom Berchtesgadener
Fürstprobst das Recht,
im Gebirge nach Enzian- und
Meisterwurzeln zu graben und
Wacholder zu brennen. Diese
lange Tradition und die besondere
Herausforderung sind es,
was Lukas dem Stadttrubel
und verlockend scheinenden
Annehmlichkeiten vorzieht.
INFOS
Weitere Informationen zur
Brennerei finden Sie unter
www.grassl.com
DER PROZESS
ENZIAN BRENNEN
Ein kraftvoller Hieb, ein knackiger Ruck, die lose Erde
abschütteln – ein geübter Wurzelgraber schafft bis zu
30 Kilogramm Enzianwurzeln am Tag.
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Nicht die Wurzeln des bekannten
blauen Enzians werden
für den Enzianschnaps
verwendet, sondern die
deutlich größeren des Tüpfel-
und Purpurenzian.
Lukas in seiner Brennhütte:
Beim ersten Feinbrand sind
höchste Aufmerksamkeit und
viel Gefühl gefragt.
Im kühlen Brunnentrog warten frische
Brände auf durstige Wanderer
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